Gastbeitrag im AIB: “Neonazi-Überfall auf das AJZ in Erfurt bleibt straffrei”

Im Antifaschistischen Infoblatt Nr. 130 erschien ein Beitrag über den Neonaziangriff auf das AJZ Erfurt 2016, den Prozess und die militanten Strukturen des “Kollektiv56” aus Erfurt.

Neonazi-Überfall auf das AJZ in Erfurt bleibt straffrei

Am 5. Mai 2016 überfiel etwa ein Dutzend Neonazis aus dem Umfeld des militanten „Kollektiv 56“ das „Autonome Jugendzentrum“ (AJZ) in Erfurt und griff die anwesenden Gäste mit Pfefferspray und Flaschen an. Viereinhalb Jahre später müssen sic lediglich zwei mutmaßliche Täter vor Gericht verantworten und bleiben straffrei.

Gastbeitrag von „k56 aufdecken“

Dass Neonazis nach brutalen Überfällen in Thüringen nur selten mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, hat die Vergangenheit bereits mehrfach gezeigt. Im Ballstädt-Prozess sorgten fatale Fehler des Landgerichts dafür, dass das Gerichtsverfahren über siebeneinhalb Jahre nach der Tat neu aufgerollt werden muss. Nach den Ausschreitungen am 1. Mai 2017 in Apolda mit rund 100 Neonazis wurde kein genügender Anlass zur Klageerhebung gesehen oder die Verfahren eingestellt. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie militante Neonazis Narrenfreiheit im rot-rot-grün regierten Thüringen genießen.

Angriff mit Flaschen und Pfefferspray

Am sogenannten „Männertag“ im Mai 2016 ereignete sich der Überfall auf das AJZ in Erfurt. Etwa ein Dutzend Neonazis trafen sich zunächst in der Innenstadt, um von dort mit der Straßenbahn gemeinsam zum AJZ zu fahren. Als diese an der Haltestelle Salinenstraße, welche direkt an den Tatort grenzt, ausstiegen, warfen die Täter bereits die ersten Flaschen gegen das Gebäude. Anschließend drang die Gruppe durch das offenstehende Tor auf den Hof des Geländes ein und griff unvermittelt die Anwesenden an. Dabei setzten mehrere Täter u.a. Pfefferspray ein, andere wiederum versperrten das Tor und machten eine Flucht der Angegriffenen unmöglich. Mindestens ein Neonazi filmte die Tat. Das Handy konnte später zwar durch die Polizei sichergestellt werden, jedoch sei auf dem Video kein Täter zweifelsfrei zu identifizieren gewesen. Nach dem Angriff zog sich die Gruppe mit Hilfe weiterer Flaschenwürfe zurück zur Haltestelle, um mit der Straßenbahn zu flüchten. Mehrere verletzte Gäste des AJZ bleiben zurück. In der Mittelhäuser Straße, nur einen Halt später, wurden mehrere Neonazis von der Polizei gestellt und deren Personalien aufgenommen.

Rechte Tatmotivation für Gericht unerheblich

Erst am 29. Mai 2018 erhob die Staatsanwalt Erfurt zunächst Anklage. Von den damals Angeklagten fanden sich am 10. November 2020 lediglich zwei Neonazis als Beschuldigte vor Gericht wieder. Alle weiteren zuvor Angeklagten wurden als Zeugen vorgeladen, von denen lediglich zwei vom Gericht gehört wurden, die Verfahren gegen sie wurden im Vorfeld eingestellt. Bereits nach einer Stunde im ersten Prozesstag machte die vorsitzende Richterin mehrfach deutlich, dass für sie die rechte Tatmotivation keine Rolle spiele und wies sämtlich Fragen der Nebenklägerin Kristin Pietrzyk, wie mögliche Parteienzugehörigkeit oder Mitgliedschaft im „Kollektiv56“, zurück. Hierfür wurde keine Bedeutsamkeit für das Verfahren gesehen.

Wobei dies keine Seltenheit darstellt. Im Fall eines organisierten Angriffes in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2020 vor der Erfurter Staatskanzlei, erfolgte eine Entpolitisierung der Tat. Mehrere Neonazis griffen hier zum Teil vermummt junge Erwachsene an und schlugen fünf von ihnen schwer verletzt ins Krankenhaus. Bei einem Teil der Täter handelte es sich um die selben Angreifer auf das AJZ 2016. Die Polizei sprach im Nachgang des brutalen Angriffs vor der Staatskanzlei erst von einer „Massenschlägerei“ statt von einem koordinierten Überfall. Im Januar 2021 schloss die Staatsanwaltschaft Erfurt die Ermittlungen dazu ab und ließ verlautbaren, dass ein rechtes Tatmotiv nicht zu ermitteln sei.

Das „Kollektiv 56“

Bei den Tätern des Überfalls handelte es sich um Aktivisten des Erfurter Neonazigruppierung „Kollektiv56“ (K56) und dessen Umfeld. Die Gruppe verortete sich selbst im Spektrum der „Autonomen Nationalisten“ und war im so genannten „Antikapitalistischen Kollektiv“ organisiert, welches der Gruppe bundesweite Kontakte zu anderen solcher Gruppen ermöglichte.

Einige Anhänger des „Kollektiv56“ beteiligten sich an einer Reihe von Überfällen in Erfurt und darüber hinaus. Neben dem Angriff auf das AJZ, waren auch einzelne K56-Aktivisten wie Robert B., Julian F., Johann Walter R. sowie David L. am Angriff auf den Leipziger Stadtteil Connewitz am 11. Januar 2016 in Leipzig beteiligt. (Siehe AIB Nr. 110) Als Führungsfigur des „Kollektiv56“ galt Michael Z., welcher auch in anderen Neonazistrukturen, wie „Media Pro Patria“, „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (Siehe AIB Nr. 111) sowie regionalen „Freien Kräften“ aktiv war und hier als Bindeglied fungierte. Weiterhin pflegte er Kontakte zum NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und war mit internationalen rechtsterroristischen Netzwerken wie der „National Action“ (NA) sowie „Asow-Miliz“ in der Ukraine (Siehe AIB Nr. 124) vernetzt. Ebenso versuchte sich Michael Z. eine Zeit lang als „Anti-Antifa-­Fotograf“ bei antifaschistischen Demonstrationen, um Informationen über Antifas und Linke zu sammeln. Mittlerweile gibt es Gerüchte über einen möglichen „Ausstieg“ von Michael Z. aus der Neonaziszene.

Weitere Aktivisten der Gruppe, wie der im AJZ-Prozess angeklagte Philippe A. und Johann Walter R. trainierten mindestens seit dem Jahr 2018 regelmäßig mit scharfen Waffen sowie Anscheinswaffen an verschiedenen Schießständen, wie beispielsweise im nahegelegenen Elxleben. Im gleichen Ort formierte sich ein Paintball-Team, welches regelmäßig zu verschiedenen Events fuhr, um sich neben dem Umgang mit Waffen auch im Bereich Taktik und Deckungsstrategien zu schulen.

Folgen des Überfalls

Die Vernetzung militanter Neonazi-Gruppen sowie die Sicherheit und Erfahrung im Umgang mit Waffen stärken das Selbstbewusstsein der Neonaziszene. Wenn diese für ihre Taten schließlich keine Konsequenzen erwarten müssen und der Staat sie gewähren lässt, gilt es umso mehr den antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren. Nach den vergangenen brutalen Angriffen, wie sie sich zuletzt im August vergangenen Jahres am Hirschgarten und auf dem Herrenberg ereigneten, rufen in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt nun immer mehr Gruppen hierzu auf. Gerade diese beiden Vorfälle, als vor der Thüringer Staatskanzlei ca. 20 Neonazis eine Gruppe feiernder Jugendlicher angriff und einige Tage später vor einem Erfurter Neonazizentrum drei junge Männer aus Guinea durch Neonazis schwer verletzt wurden, zeigen die Dimension rechter Gewalt.

Recherchen des MDR zeigten im Frühjahr 2021, dass einer der mutmaßlichen Haupttäter im Verfahren zu dem Angriff vor der Staatskanzlei ebenfalls Philippe A. ist, welcher schon für den Angriff auf das AJZ 2016 vor Gericht stand. In einem Statement des AJZ Erfurt nach der Einstellung des Verfahrens gegen die Täter von 2016 heißt es: „Es ist für uns im Sinne aller Betroffenen rechter Gewalt nicht hinnehmbar, dass Verfahren immer weiter verschleppt und die Tatmotivation nicht allumfänglich thematisiert und aufgeklärt werden.“

Insbesondere die weite Vernetzung der Täter in die bundesweite Neonaziszene und ihre hohe Gewaltbereitschaft machten deutlich, was die Erfurter Antifa Gruppe „Dissens“ Anfang 2021 in einem Statement auf den Punkt brachte: „Als Konsequenz aus den Ereignissen kann für Antifaschist_innen nicht der Appell an ein besseres Durchgreifen des Staates gegen Neonazis stehen. Für uns kann lediglich die Forderung stehen: Organisiert euch!“

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MDR berichtet: Philippe Amor Täter beim Angriff vor der Staatskanzlei

Am 14. Februar berichtete der MDR in einem Video-Beitrag u. a. über den Angriff vor der Thüringer Staatskanzlei im Juli 2020. In dem Beitrag wird bestätigt, dass sich Ermittlungen gegen bereits bekannte Neonazis richten. Als einer der mutmaßlichen Haupttäter wird Philippe Amor identifiziert. Weitere Ermittlungen richten sich gegen Robert Brandt und Julian Franz. Ein weiterer Beteiligter soll Sascha Wühr gewesen sein.

Gruppenbild 2017, v.r.n.l.: Ronny Damerow, Phillippe Amor, Julian Franz, Kevin Jacobi, vorne Johann Walter Richter

Erst vor wenigen Monaten stand Philippe Amor vor dem Amtsgericht in Erfurt wegen eines Überfalls auf das AJZ Erfurt 2016. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Mittlerweile soll Amor wieder auf Demonstrationen sogenannter “Querdenker” und Corona-Leugner:innen aufgetaucht sein.

Wir verlinken den Video-Beitrag und verweisen auf unsere bisherigen Recherchen zu den einzelnen Neonazikadern sowie erneut auf die Kontinuität der Angriffe, die von dieser Gruppierung und ihren Neonazikadern ausgeht.

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Berichte zu den Prozesstagen zum Naziangriff auf das AJZ Erfurt

Auf Indymedia erschienen vor ein paar Tagen zwei Berichte zu den ersten Prozesstagen gegen Philippe Amor und Ronny Damerow im November 2020. Wir dokumentieren die beiden Prozessberichte und ergänzen diese um einige Bilder vom Prozess, welche uns gesendet worden sind.

v.r.n.l.: Juliann Franz, Sören Erik Hildesheim, Sascha Wühr, Ronny Damerow, Philipp Mine, Philippe Amor vor dem Amtsgericht Erfurt

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Verfahren eingestellt – Nazis ohne strafrechtliche Konsequenzen

Vor dem Erfurter Amtsgericht ging am 24. November 2020 der Prozess gegen zwei der Angreifer auf das AJZ vom 5. Mai 2016 eher überraschend zu Ende. Das Verfahren gegen Philippe Amor wurde eingestellt, Ronny Damerow wurde freigesprochen. Alle weiteren Täter landeten erst gar nicht auf der Anklagebank. Ihre Verfahren, wenn sie denn überhaupt erst eröffnet wurden, sind, wurden in den viereinhalb Jahren bis zum Prozessbeginn eingestellt. Die militante Neonaziszene geht damit einmal mehr strafrechtlich unbescholten aus der Situation.

Der Prozess – eine Farce

Nachdem die Neonazis am 5. Mai 2016 das AJZ in der Erfurter Vollbrachtstraße mit Flaschen, Pfefferspray und die Anwesenden mit Schlägen und Tritten angriffen, flohen sie schließlich mit der Straßenbahn. Eine entwendete Lederjacke wurde später in der Bahn als Trophäe herumgereicht. Wer genau die Jacke gestohlen habe, spielte keine Rolle. Bei wem sie später bei der Hausdurchsuchung gefunden wurde, ebenfalls nicht. Vor der Polizei soll Michael Zeise in einer Vernehmung ausgesagt haben, Benjamin Günther habe ihn gefragt: „Da habe ich gut durchgezogen, habt ihr das gesehen?“. Das Verfahren gegen Benjamin Günther wurde eingestellt, er musste nicht einmal mehr als Zeuge aussagen. Von Anfang an blockte die Richterin jede weitere Frage zur Struktur und Ideologie der Nazi-Zeugen und des politischen Motives der Tat. Eine klare Entpolitisierung des Vorfalls.

Das Ergebnis – zu erwarten

Schließlich gehen, wieder einmal, militante Neonazis straffrei aus der Sache hervor. Ihre Tat wird nicht politisch eingeordnet, nachdem das Verfahren knapp viereinhalb Jahre verschleppt wurde. Schockieren sollte dies schon lange nicht mehr. Dass es in Thüringen ein offensichtliches Problem bei der strafrechtlichen Verfolgung von Neonazis gibt, wissen wir nicht erst seit der Zulassung der Revision gegen das Urteil vom Landgericht Erfurt im Ballstädt-Verfahren wegen Formfehlern. Oder der Täter-Opfer-Umkehr bei den Ermittlungen zu einem rassistischen Tötungsversuch am Erfurter Herrenberg in der Nacht zum 1. August 2020 oder seit dem Auffliegen von rechten Chatgruppen und Netzwerken in den Sicherheitsbehörden. In gleichen Teilen wissen wir auch, wie der Staat gegen Antifaschist*innen vorgeht. In Leipzig wurde Lina in den Knast gesteckt, antifaschistische Strukturen werden durchleuchtetet und mit Ermittlungsverfahren nach §129 StGB in Bedrängnis gebracht. Wo der Feind hier steht, wissen wir schon lange. Das Prozessende gegen Philippe Amor und Ronny Damerow ist sicher ärgerlich, aber kein Grund für Antifaschist*innen schockiert oder gar gelähmt zu sein. Dass der Staat lieber diejenigen ausrüstet und aufbaut, die uns nach dem Leben trachten, zeigte die Entwicklung des NSU und der staatlichen Verstrickungen in Netzwerke wie dem „Thüringer Heimatschutz“ zur Genüge. Wirklich geschockt kann man nur sein, wenn man trotz all dieser Dinge immer noch den naiven Glauben hat, der Staat bekämpfe ernsthaft diese Strukturen.

Antifa heißt warten auf Verurteilung?

Nein. Auch wenn wir strafrechtliche Konsequenzen als Nadelstich gegen die Neonaziszene gesehen hätten, dürfen wir uns nicht darauf verlassen und schon gar nicht darauf hoffen, dass der Staat uns schützt. Die Antwort auf militante Neonazistrukturen ist letztlich eine Organisierung eines autonomen militanten Antifaschismus, der nicht abwartet, bis Neonazis uns angreifen, sondern ihnen schon von Anfang an einen Strich durch die Rechnung macht. Thüringenweit ist eine Zunahme an organisierten Neonazis zu beobachten. Sei es im Rechtsrock, Kameradschaften, Kampfsport- und Hooligangruppen sowie organisierter Kriminalität. Alle Bereiche sind vertreten und überschneiden sich. Hinzu kommt eine AfD, die in Thüringen nicht nur prozentual stark ist, sondern auch konsequente Faschisten in ihrer Führung hat. Gleichzeitig befinden sich autonome antifaschistische Strukturen weiter auf dem Rückzug. In vielen Regionen sind in den vergangenen Jahren Strukturen weggebrochen oder abgewandert.
Letztlich liegt es an uns, die militanten Neonazistrukturen zu bekämpfen, uns zu organisieren und zu begreifen, dass der Staat und seine geförderten Demokratieprojekte für uns keine Handlungsalternativen sind. Im Gegenteil, sie stehen uns gegenüber.

Eine Polizei kann die Ermittlungen versauen, ein Gericht die Täter freisprechen und die Zivilgesellschaft kann empört sein. Wir sollten uns klar sein, dass die Polizei immer auch gegen uns arbeitet. Ein Freispruch vor Gericht hat für unser Urteil und Handeln keinen Einfluss. Wir müssen nicht empört oder gelähmt sein, sondern entschlossen.

Nazistrukturen angreifen – wann ihr freigesprochen seid, entscheiden wir!

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„Kollektiv56“-Kader trainieren mit scharfen Waffen

Am 10. November 2020 müssen sich Ronny Damerow und Phillippe Amor vor dem Erfurter Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, wie bereits berichtet wurde. Dass Amor schon seit einigen Jahren, nicht nur aktiver Teil der Erfurter Neonaziszene ist und immer wieder an Angriffen der Gruppe beteiligt war, sondern ebenfalls in Elxleben bei Erfurt mit Paintball Waffen und Tactical Airsoft Waffen trainiert, soll im folgenden Beitrag geschildert werden. Auch der Zugang und Einsatz von scharfen Waffen lassen sich anhand der Verbindungen nachweisen.

Szcenario MagFed Paintballteam – in der Mitte mit Bart Andre Wagner, dahinter Phillipe Amor

Seit mindestens 2018 trainiert Phillippe Amor regelmäßig beim “Szcenario MagFed Paintballteam”, welches sich rund um den Erfurter Neonazi Andre Wagner formiert. Wagner arbeitet als Schießtrainer im Hermes-Schießzentrum in Elxleben und hat damit ebenfalls legal Zugang zu einer Reihe von Waffen und Munition. Seit einigen Monaten arbeitet er ebenfalls für die Firma „PAKprotection“ einer Sicherheitsfirma aus Elxleben/Erfurt. Er nimmt dort die Tätigkeit als Ausbilder wahr und wird auf Firmenkosten immer wieder in diversen Kampf- und Selbstverteidigungstechniken ausgebildet.
Neben seinem Zugang zu scharfen Waffen und seiner Tätigkeit im Schießzentrum, agiert Wagner als führender Kopf des Paintball-Teams, dem auch der Neonazi Amor angehört. Die Gruppe organisiert dabei immer wieder Events und Trainingseinheiten, wo sie versuchen taktisch mit Paintball oder Anscheinswaffen vorzurücken und ihre Gegner zu eleminieren. Dass es für Neonazis dabei nicht nur um den reinen Spaß am kindlichen Kriegsspiel geht, sondern durchaus auch als Vorbereitungen für einen Tag X oder den bewaffneten Umsturz geht, haben diverse paramilitärische Gruppen und Wehrsportgruppen von Neonazis in der Vergangenheit gezeigt.

Mitarbeiter Andre Wagner von “PAKprotection” und dem “Hermes Schießzentrum” in Elxleben (3.v.l.)

Andre Wagner (rechts) beim Personenschutztraining

Andre Wagner selbst trat in sozialen Medien immer wieder mit neonazistischen Postings in Erscheinung. Einigen Bildern zufolge ist er auch im rechten Hooliganmilieu der älteren Generation um „Kategorie Erfurt“ (KEF) zu verorten, er teilte beispielsweise Fotos in Gedenken an den Erfurter Hooligan und Neonazi „Matze“ nach dessen Tod. Ebenfalls teilte er 2014 via Facebook einen Aufruf von „Gemeinsam stark“ zur Hooligan-Demonstration am 26.10.2014 in Köln, bei der es zu massiven Ausschreitungen kam. Weiterhin finden sich diverse rassistische Postings auf seiner Facebookseite.

An Hooligan-Demos beteiligten sich auch 2014 Mitglieder des “Kollektiv56”: Michael Zeise (mittig links mit Sonnenbrille, verkehrtes Cap), Kevin Noeske vom Nationalen Aufbau Eisenach (links neben Zeise), dahinter Tobias Zitzmann, Daniel Madalschek (rechts neben Zeise, mit schwarzer Mütze), Thomas Holzinger (2.v.l. neben Zeise) und Michael Fischer (3.v.l. neben Zeise), Julian Franz 6.v.l. neben Fischer) bei HoGeSa am 15.11.2014 in Hannover

Andre Wagner (rechts) als “Hooligan”

Andre Wagner ruft zu HoGeSa 2014 auf.

Wagner teilt Traueranzeige von Erfurter Neonazi und KEF Hooligan “Matze”

Mittlerweile arbeitet Wagner im Sicherheitsbereich, unter anderem als Personenschützer und tritt unter dem Label „Ausbildungszentrum Sicherheit“ auf. Er absolvierte mehrere Lehrgänge zum Personenschützer und bildet nun weiter aus.
Im Internet finden sich diverse Bilder von Ausflügen der Paintballgruppe „Operation Group Germany“ unter dessen Fahne auch Amor bei den Trainingseinheiten „kämpft“.

Andre Wagner als Angestellter beim Schießzentrum Elxleben

Andre Wagner beim Schießtraining (links)

Des Weiteren findet sich ein Bild von Johann Walter Richter, ebenfalls Beteiligter am Angriff auf das AJZ 2016 in Erfurt, wie er am Schießstand mit einer scharfen Langwaffe schießt. Mutmaßlich einem Scharfschützengewehr mit Schalldämpfer.

Johann Walter Richter beim Schießtraining mit einer scharfen Waffe.

Angesichts der Vernetzung zu internationalen Gruppierungen mit klarem rechtsterroristischem Bezug sowie der hohen Gewaltbereitschaft der Erfurter Neonazigruppe „Kollektiv56“ ist es beachtlich, wie ungestört sich Neonazis mit scharfen und Anscheinswaffen ausbilden lassen können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Dabei können jüngere Neonazis auf die Erfahrungen von gewaltbereiten Ex-Hooligans wie Andre Wagner zählen. Dieser hat nicht nur Verfügung über scharfe Waffen und Munition, sondern auch über reichlich Wissen in Bezug auf körperliche Auseinandersetzungen und taktisches Vorgehen in der Gruppe mit Waffen.

Damit erreicht die Qualität der Neonazigewalt einen Punkt, an der sie auf eine neue Stufe gehoben werden kann: Denn dort, wo Neonazis mit Waffen trainieren, werden sie diese auch einsetzen.

Phillippe Amor beim Training mit Anscheinswaffen / Tactical Airsoft 2019

Phillippe Amor (Mitte) beim Training mit Anscheinswaffen / Tactical Airsoft 2019

Gruppenbild 2017, v.r.n.l.: Ronny Damerow, Phillippe Amor, Julian Franz, Kevin Jacobi, Unbekannt, vorne liegend Johann Walter Richter

Johann Walter Richter (links) und Benjamin Günther (rechts)

Gruppenbild mit Anscheinswaffen: links an der Fahne Andre Wagner, unten 3.v.r. Phillippe Amor

Andre Wagner: Schnaps und scharfe Munition, eine gefährliche Mischung.

Die Kontaktdaten der Paintball Gruppe sind identisch mit dem Schießzentrum Elxleben.

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Prozessbeginn: Angriff auf das AJZ vom 5. Mai 2016 wird verhandelt

Am 5. Mai 2016 griff eine Gruppe Neonazis das AJZ in der Vollbrachtstraße 1 in Erfurt an. Sie warfen Flaschen und versprühten Pfefferspray, bevor sie auf ihre Opfer einprügelten. Mehr als vier Jahre nach der Tat müssen sich nur noch zwei der Täter als Angeklagte vor Gericht verantworten, wobei wesentlich mehr Neonazis an dem Angriff beteiligt waren. Alle Beteiligten waren und sind Teil des „Kollektiv56“ aus Erfurt. Eine Übersicht findet ihr auf der Unterseite “Termine”.

Zum Männertag 2016 fuhr eine größere Gruppe Neonazis des „Kollektiv56“ mit der Straßenbahn nach Erfurt-Nord. An der Haltestelle „Salinenstraße“ stiegen sie aus und begannen das AJZ mit leeren Bierflaschen zu bewerfen. Sie begaben sich in den Hof des Jugendzentrums, setzten Pfefferspray gegen die Anwesenden ein und begannen auf sie einzuschlagen, bevor sie die Flucht ergriffen. Ebenfalls entwendeten die Angreifer eine Jacke eines ihrer Opfer, weshalb u.a. wegen Raub ermittelt wurde. Zu der angreifenden Gruppe gehörten Michael Zeise, Sascha Wühr, Ronny Damerow, Phillipe Amor, Julian Franz, Johann Walter Richter, Max Kambartel, Max Schmidt, Sören Erik Hildesheim, Benjamin Günther und Felix Lindenau. Ein Großteil der Angreifenden konnte kurze Zeit später von der Polizei gestellt oder identifiziert werden. Es folgten einige Wochen später erste Hausdurchsuchungen bei den Beschuldigten. (Pressebericht) Nico Julian Moritz Franz wurde noch am selben Abend des Angreiffs vom 5.5.2016 in Untersuchungshaft verbracht. Grund war jedoch nicht der Angriff auf das AJZ tagsüber, sondern eine Raubtat am Haupbahnhof Erfurt.

Phillipe Amor

Ronny Damerow

Mittlerweile befinden sich von der angreifenden Gruppe nur noch zwei Beteiligte als Beschuldigte auf der Anklagebank. Dabei handelt es sich um Ronny Damerow und Phillipe Amor. Die Verfahren gegen alle anderen Neonazis, welche als Beschuldigte geführt worden sind, sind bereits eingestellt worden. Trotz ihrer Einstellung müssen sie als Zeugen vor Gericht erscheinen.

Dabei wird Damerow vor Gericht mit dem Anwalt Thomas Ullrich aus Erfurt erscheinen.
Phillipe Amor wird von Steffen Hammer aus Reutlingen als Anwalt vertreten. Steffen Hammer ist ein bekannter Neonazi und Szene-Anwalt. Er spielte jahrelang in der deutschen Rechtsrockband “Noie Werte” und war Landesvorsitzende der NPD in Baden-Württemberg. Der NSU bezog sich u.a. auf einen Songtext der Band, aus der Feder von Hammer, positv in ihrem Bekennervideo. Als Rechtsanwalt vertrat Hammer in der Vergangenheit bereits mehrmals NPD Funktionäre und

Rechtsanwalt Steffen Hammer – Neonazi und Szeneanwalt, vertritt Phillipe Amor

Neonazis. Seine Kanzleikollegin, Nicole Schneider, leistete in der Vergangenheit bereits Ralf WOhlleben aus dem NSU-Unterstützernetzwerk rechtlichen Beistand.

Rechtsanwalt Thomas Ullrich vertritt den Neonazis Ronny Damerow

Die Verhandlung beginnt am 10. November um 9 Uhr im Amtsgericht Erfurt, Sitzungssaal 19. Weitere Prozesstage sind für den 12. November um 9 Uhr, 24. November um 9 Uhr und den 26. November um 9 Uhr am Amtsgericht Erfurt angesetzt. (Update vom 09.11.2020: Die Uhrzeiten der letzten beiden Verhandlungstage wurden von 13 Uhr auf 9 Uhr geändert.)

Es ist bezeichnend, dass mehr als vier Jahre nach der Tat die Täter vor Gericht stehen. Zwar sollte bereits im Frühjahr 2020 der Prozessbeginn sein, dieser wurde aber aufgrund der Corona-Pandemie vertagt. Aber selbst vier Jahre nach dem gezielten Angriff auf ein Jugendzentrum in Erfurt konnten sich die Täter weiter frei bewegen und hatten keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Phillipe Amor beteiligte sich beispielsweise an einem weiteren Angriff auf das AJZ am 26. Juli 2017. Das Ermittlungsverfahren gegen Amor als Täter ist in diesem Fall eingestellt worden. Auch bei dem aktuellen Angriff vor der Staatskanzlei am 18. Juli 2020 in Erfurt gibt es Hinweise, dass Amor beteiligt war. Ein solch später Prozessbeginn gegen lediglich zwei der Täter ist nicht nur eine Einladung für gewaltbereite Neonazis fleißig weiter zu prügeln und zu morden, sondern ermutigte sie nachweislich in der Vergangenheit zu weiteren Angriffen.

Ronny Damerow am 17.10.2020 auf einer NPD-Kundgebung in Bremerhaven (Quelle: Recherche Nord)

Als Initiative „Kollektiv56 aufdecken!“ rufen wir dazu auf den nun angesetzten Prozess mit einer kritischen Öffentlichkeit zu begleiten. Einmal in der Solidarität mit den Angegriffenen und natürlich um öffentlich Druck zu machen, dass ein solcher Angriff und verschleppter Prozess nicht ohne Widerspruch bleiben.

Gruppenbild aus dem Februar 2019 v.l.n.r.: Unbekannt, Silvio Peters (geb. Röppenack), Phillipe Amor (stehend), Kevin Jacobi (unten), Ronny Damerow (stehend), Julian Franz (unten), Sören Erik Hildesheim (stehend), Unbekannt.

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Nazistrukturen aufdecken: Das Kollektiv 56 aus Erfurt

Das Kollektiv 56 gründete sich laut eigenen Angaben im Jahr 2015. 2017 folgte die stille Auflösung. Dass diese Auflösung nicht der Realität entspricht und die Akteure weiterhin in Nazistrukturen aktiv sind, wird auf den nächsten Seiten offengelegt. Neben dem aktiven Kern von Michael Zeise, Sascha Wühr, Tobias Zitzmann, Robert Brandt, Denny Schuster, Phillipe Amor, Julian Nico Moritz Franz, Benjamin Günther, Thomas Holzinger und Kevin Jacobi lässt sich zu dem Kollektiv 56 ein weiteres größeres Umfeld zuordnen. Die Gruppe trat mehrmals bei Angriffen auf Gegendemonstrant*innen, linken Jugendzentren und Migrant*innen in Erscheinung. Zuletzt waren Mitglieder auch bei dem Angriff auf alternative Menschen vor der Staatskanzlei in Erfurt beteiligt. Außerdem pflegen Mitglieder teilweise Kontakte in internationale rechtsterroristische Kreise.

Warum diese Seite?

Mit dieser Seite wollen wir einer Entpolitisierung rechter Gewalttaten entgegenwirken und die Täter klar benennen. Nach mehreren Angriffen, welche teilweise schon mehrere Jahre zurück liegen, erfuhren die Täter keinerlei strafrechtlichen Repressionen. Auch sind in dem künftigen Prozess gegen Mitglieder des Kollektiv56, welche das AJZ angegriffen haben, nur noch zwei der acht Täter angeklagt. Die Justiz schafft es nicht die Taten und Täter in ihrer politischen Dimension einzuordnen. Hier zeigt sich die Relevanz einer antifaschistischen Intervention.
Das Ziel ist die Strukturen des Kollektiv 56 aufzudecken und anzugreifen!

Inhaltsverzeichnis:

  1. Das Kollektiv 56 – Einordnung der Struktur
    1. Angriffe die dem Kollektiv56 zugeordnet werden können
    2. Das Umfeld des Kollektiv56
  2. Die Akteure – Übersicht zu den einzelnen Nazikadern
    1. Michael Zeise
    2. Sascha Wühr
    3. Tobias Zitzmann
    4. Ronny Damerow
    5. Robert Brandt
    6. Denny Schuster
    7. Phillipe Amor
    8. Nico Julian Moritz Franz
    9. Benjamin Günther
    10. Thomas Holzinger
    11. Kevin Jacobi
  3. Termine
  4. Kontakt
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