Das Kollektiv56

Gegründet wurde das Kollektiv56 nach eigenen Angaben im Frühjahr 2015. Die Gruppierung bestand offiziell bis zur sang- und klanglosen Auflösung im Sommer 2017. Dass die Gruppe aber noch darüber hinaus aktiv ist und Personenzusammenhänge als Strukturen weiter fortbestehen, legen wir hier offen. Das Kollektiv56 (kurz K56) war nicht nur bundesweit vernetzt, sondern organisierte immer wieder gewalttätige Übergriffe auf politische Gegner und Migranten. Einige der führenden Köpfe der Gruppe sind in Erfurt seit vielen Jahren in der Neonaziszene verwurzelt. Einer ihrer Hauptakteure, Michael Zeise, pflegte in der Vergangenheit gute Kontakt in rechtsterroristische Kreise. Im folgenden soll die Struktur der Gruppe, ihre Vernetzung sowie ihre einzelnen Akteuere vorgestellt werden.

Der Personenkreis

Die Gruppe „Kollektiv 56“ bestand aus einem harten Kern an Erfurter Neonazis, welche sich zusammen organisierten. Zu diese zählten vor allem Michael Zeise als Administrator der gruppeneigenen Website, Sascha Wühr, Tobias Zitzmann, Julian Franz, Robert Brandt, Ronny Damerow aus Hannover/Erfurt, Benjamin Günther aus Dröbitschau, Phillipe Amor und Thomas Holzinger aus Weimar sowie Denny Schuster. Neben diesen Akteueren konnte das K56 auf ein weiteres Personenumfeld zählen, welche der Struktur nahe standen, sie unterstützten, mit auf Demons fuhren oder sich an gewalttätigen Übergriffen beteiligten. Dazu zählen Phillip Mine, Sören Erik, Kevin Jacobi, Steve Fehrs, Johann Walter Richter, Max Kambartel, Max Schmidt und Felix Lindenau. Nicht immer traten diese Personenkreise geschlossen in der Öffentlichkeit auf, doch zu allen besteht untereinander eine Verbindung.

Michael Zeise

Sascha Wühr

Besondere Rollen kommen dabei Michael Zeise und Sascha Wühr zu. Beide waren für die Webpräsenz sowie die Aufklebererstellung und -bestellung zuständig. Während Zeise als Admin der Gruppenseite agierte, verwaltete Sascha Wühr einen Twitter-Account des Kollektiv56. Zeise, Wühr und Zitzmann sind dabei als die wesentlich vernetzten Kader in Erfurt und Thüringen zu betrachten. Gerade Wühr und Zitzmann sind in der Vergangenheit immer wieder bei verschiedenen Neonazigruppen in Erfurt aktiv gewesen. Zeise selbst pflegt gute Kontakte, von dem NSU-Unterstützernetzwerk, im rechten Musikvertrieb über seine Tätigkeit als Neonazirapper „MicRevolt“ oder in seiner Funktion als Kader des „Antikapitalistischen Kollektives“ und „Media Pro Patria“, in die gesamte Neonaziszene. Diese reichen auch zu internationalen Terrornetzwerken, wie der verbotenen britischen „National Action“ oder in die Ukraine. Die einzelnen Akteure haben wir in Unterartikeln einzeln vorgestellt:

Die Struktur

Das Kollektiv56 agierte nach ihrer Selbstdarstellung vor allem „auf den Straßen unserer Stadt“. Zeitweise versuchte die Gruppe durch gezielte Gewalttaten auch diese Aussage zu bestätigen. Es erfolgten mehrere Übergriffe, welche vor allem durch Michael Zeise, Sascha Wühr und Tobias Zitzmann koordiniert werden durften. Solche Übergriffe in der Stadt waren meist mit dem Ziel verknüpft, gezielt Präsenz in der Stadt zu zeigen. Daraus ergaben sich oftmals Versuche und auch gelungene Aktionen in Form von körperlichen Auseinandersetzungen. Am 26.05.2016 griff eine größere Gruppe des Kollektiv56 das AJZ in der Vollbrachtstraße im Erfurter Norden an. Die Angreifer setzten Pfefferspray gegen die anwesenden Gäste ein, bewarfen diese mit Glasflaschen und traktierten diese mit Tritten und Schlägen. Neben diesen bekannten Angriffen traten die Akteuere der Gruppe immer wieder im Umfeld von Demonstrationen auf und versuchten dort in Form eines schwarzen Blocks politische Gegner, die Polizei oder Journalisten anzugreifen.

Transparent am 17.08.2016 zum Rudolf-Heß Marsch in Jena

Die Gruppe koordinierte auch mehrmals gemeinsame Anreisemöglichkeiten zu Neonazigroßdemonstrationen. Im Jahr 2017 organisierte das Kollektiv56 die bundesweite gemeinsame Anreise zum Neonaziaufmarsch nach Halle am 1. Mai von Erfurt aus. Dabei legten die lokalen Nazistrukturen vor allem ihren Fokus auf die Mobilisierung des „Antikapitalistischen Kollektives“ und der autonomen Nationalisten. Diese reisten mit mehreren hundert Teilnehmern von Erfurt aus nach Halle und randalierten später in Apolda. In einer großen Anzahl der damals Festgenommen rekrutierte sich aus den Kreisen des AKK und somit auch der Kollektiv56, wie eine Kleine Anfrage im Thüringer Landtag aufzeigt.

Die Vernetzungen

Im Rahmen des Antikapitalistischen Kollektivs war die Gruppe von der Gründung des AKK an mit involviert. Die Verbindungen der Gruppe reichten somit nach Hessen zum dortigen Freien Netz, nach Sachsen, Mecklenburg Vorpommern, in die Harzregion, nach Baden Würtemberg und Bayern. Im Rahmen dieser Aktionsgruppe wurden verschiedene Aktionen organisiert.

Screenshot der Links vom Blog des “Kollektiv56”

Des Weiteren leistete das Kollektiv56 weitere Aufbauarbeit gerade für Strukturen in Thüringen. Eine wichtige Verbindung gibt es dabei nach Eisenach. Über Michael Zeise und Ronny Damerow verlief die Vernetzung mit dem „Nationalen Aufbau Eisenach“ um Leon Ringl und Kevin Noeske. Letztere tauchten bereits 2014 zusammen mit Zitzmann, Zeise, Holzinger und dem späteren IB Türingen Funktionär Daniel Madalscheck bei HoGeSa in Hannover auf. Es folgten weitere Unterstützungen bei Demonstrationen in Eisenach und Gotha, wo das Kollektiv56 zusammen mit den Eisenacher Neonazis begann, einen schwarzen Block zu organisieren. Dafür unterstützten die Eisenacher Neonazis das K56 in Erfurt und Weimar bei Demonstrationen oder Störaktionen, wie bei einer antifaschistischen Demonstration 2016 in Erfurt-Marbach. Dort übernahm Zeise vom K56 die Anti-Antifa Arbeit und fotografierte die Demo ab, während die Eisenacher Nazis erfolglos versuchten die Demonstration zu stören. Gerade für die jungen Neonazis in Eisenach bot das K56 eine wichtige Orientierung, sowohl ideologisch, als auch in der Form der Organisierung. Die konkreten Verbindungen zwischen der Erfurter und der Eisenacher Gruppe sind im Unterpunkt zu Michael Zeise im Detail belegt.

Michael Zeise (mittig links mit Sonnenbrille, verkehrtes Cap), Kevin Noeske vom Nationalen Aufbau Eisenach (links neben Zeise), dahinter Tobias Zitzmann, Daniel Madalschek (rechts neben Zeise, mit schwarzer Mütze), Thomas Holzinger (2.v.l. neben Zeise) und Michael Fischer (3.v.l. neben Zeise) bei HoGeSa am 15.11.2014 in Hannover

Die Ideologie

Das Kollektiv56 orientierte sich im Auftreten stark an den Autonomen Nationalisten und versuchte über ihr Auftreten den Style der autonomen Antifa zu kopieren und für sich zu vereinnahmen. Ein Trend, der durch das AKK auch bundesweit wieder in der Neonaziszene aufgewärmt wurde, schließlich waren Autonome Nationalisten schon einmal vor mehr als zehn Jahren kurzzeitig im Aufwind. In ihrer Ansicht orientierte sich die Gruppe dabei an einem „Antikapitalismus“ dem sie zwar wenig inhaltlich bespielten, dafür aber mit reichlich Pathos aufluden. So versuchte diese Strömung in der Neonaziszene vor allem die Illusion aufrecht zu erhalten, eine europaweit agierende antikapitalistische Bewegung zu sein. Wenn auch gleich einige Akteure an sozialen Unruhen u.a. in Frankreich teilnahmen, diente diese Form der Selbstdarstellung die eigene Bedeutung zu überhöhen. Gerade hier versuchte man sich als undogmatisch und parteiungebunden in der Naziszene zu präsentieren, was nicht immer auf Zuspruch stieß.
Im Gegenteil oft wurde das AKK von großen Teilen der Neonaziszene belächelt oder schlecht gemacht. Dies lag einmal an ihrem Schwerpunkt des Antikapitalismus und ihre Annährung an den Strasserismus, als auch an den Aktionsformen. Als eine Spontandemonstration am 1. Mai 2017 in Apolda derart eskalierte, dass das Gebäude einer Versicherungsgesellschaft angegriffen wurde und im Nachgang mit Theorien zu deren Spekulationen mit Geld zu rechtfertigen versucht wurde, kochte der szeneinteren Streit hoch, u.a. in dessen Konsequenz sich das AKK ofiziell auflöste. Eine tiefgreifende Analyse des AKK findet sich beim AIB.

Das Kollektiv56 zeichnete sich über seine Website vor allem durch rassistische Hetze gegen Geflüchtete und durch Drohgebärden gegen politische Gegner aus. Eine wesentliche Auseinandersetzung mit den Themen, mit denen sich das AKK beschäftigte, fand hier kaum bis gar nicht statt, sieht man von der Dokumentation eines Interview zu Horst Wessel und einigen verqueren Sätzen zur “internationalen Hochfinanz“ und Judentum ab.

Auflösung?

Tobias Zitzmann im Juli 2019 über Facebook

Angeblich hat sich das Kollektiv56 aus Erfurt aufgelöst, genau so wie es das „Antikapitalistische Kollektiv“ 2017 getan hat. Doch die einzelnen Akteure sind nach wie vor in Erfurt aktiv und geben offen zu, dass sie nur die Füße still halten. 2019 schrieb Tobias Zitzmann auf Facebook, dass das Kollektiv56 nie weg war. Es gäbe es immer noch, man halte aktuell nur die Füße still. Geliked wurde dieser Beitrag u.a. von Sascha Wühr und Julian Moritz Franz. Es darf also damit gerechnet werden, dass die Gruppe weiterhin existent ist und sich nur mariginal umstrukturiert hat. Im April und Mai laufen die Prozesse gegen einige Beteiligte des Überfalls auf das AJZ zum Männertag 2016. Alle Angeklagten und Neonazi-Zeugen sind dem Kollektiv56 zuzurechnen. Ein Grund, warum die Gruppe die Füße weitestgehend still hielt. Im Juli 2020 sollen weitere Aktive des Kollektiv56 bei dem Angriff auf Jugendliche und junge Erwachsene vor der Erfurter Staatskanzlei beteiligt gewesen sein. Nach dem Prozess um den Angriff auf das AJZ 2016, ist damit zu rechnen, dass die Gruppe wieder öffentlich aktiv wird und wieder eine Vernetzung aufbaut. Dies zeigte sich nicht nur am gemeinsamen Auftreten vieler Mitglieder der Gruppe, sondern auch an der Beteiligung an Demonstrationen, wie bei jeder Person einzeln nachgewiesen werden kann.

Nazistrukturen aufdecken und bekämpfen!