Berichte zu den Prozesstagen zum Naziangriff auf das AJZ Erfurt

Auf Indymedia erschienen vor ein paar Tagen zwei Berichte zu den ersten Prozesstagen gegen Philippe Amor und Ronny Damerow im November 2020. Wir dokumentieren die beiden Prozessberichte und ergänzen diese um einige Bilder vom Prozess, welche uns gesendet worden sind.

v.r.n.l.: Juliann Franz, Sören Erik Hildesheim, Sascha Wühr, Ronny Damerow, Philipp Mine, Philippe Amor vor dem Amtsgericht Erfurt

Prozesstag #1: Neonaziüberfall auf das AJZ in Erfurt

Am Dienstag, den 10. November 2020 fand ab 9:00 Uhr am Erfurter Landgericht der erste Prozesstag gegen Philippe A. Und Ronny D. statt. Ihnen wird vorgeworfen am 5. Mai 2016 das Autonome Jugendzentrum (AJZ) in Erfurt überfallen zu haben.

Zum ersten Prozesstag haben sich mehr als ein Dutzend Interessierte vor dem Saal versammelt, um den Prozess begleiten zu können. Da die Plätze auf acht Personen begrenzt waren, wovon vier für Medienschaffende und vier für Besuchende vorgesehen waren, konnten zahlreiche Menschen dem Prozess nicht beiwohnen.

Nachdem die Personenangaben zu den Angeklagten abgeglichen wurden, wurden die Angeklagten befragt, ob sie sich denn äußern wollen. Während Ronny D. von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte, lies RA Andreas Herwig (Verteidigung Philippe A.) verlauten, dass es von ihm und seinem Mandanten in Erwägung gezogen wird ein Rechtsgespräch anzustreben. Dies sei jedoch nicht möglich, da er es noch nicht geschafft habe die komplette Akte zu lesen und diese ihm erst seit rund einer Woche zur Verfügung stehe. RA Ulrich (Verteidigung Ronny D.) äußerte weiterhin, dass weitere potenzielle Angeklagte auf der Anklagebank fehlen würden und die Tat schon sehr lange zurück liege.

Des Weiteren echauffierte sich RA Thomas Ulrich darüber, dass die Nebenklägerin RA Kristin Pietrzyk eine Maske im Gerichtssaal tragen würde und sie diese abnehmen solle, da man sich im Gerichtssaal nicht vermummen dürfe und er die Mimik und Gestik der Anwältin sehen möchte. Bei laufenden Gerichtsverfahren entscheidet die Richter*in, wie bezüglich des Tragens von Mund-Nasen-Schutzes zu verfahren ist. Als Begründung für das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes äußerte Pietrzyk, dass sie nah an den Journalist*innen sitze und als Schutz vor möglichen Infektionen anderer, diesen trage. Richterin Dobberstein lies schließlich das Tragen zu und stellte es Pietrzyk frei.

Die Zeugen für das Verfahren wurden vom Amtsgericht gestaffelt geladen. Da der Zeuge Julian F. Erst für 9:30 Uhr geladen wurde, wurde das Verfahren um 9:15 Uhr für 15min unterbrochen. Während der Unterbrechung werden die Fenster zum Lüften geöffnet, was RA Ulrich missfällt, da diesem kalt sei. Die Fortsetzung erfolgte um 9:37 Uhr.

Nachdem Julian F. den Gerichtsaal betrat, ging dieser auf direktem Wege zu Richterin Dobberstein und bat sie, dass seine Meldeadresse nicht öffentlich gesagt werden solle. Diesem Wunsch kam die Vorsitzende nach und fragte, ob es sich um jene Adresse aus der Anklageschrift handelt. Dies bejahte der Zeuge. Auf die Frage der Richterin, ob er wisse, warum er denn hier sei. sagte F., dass er „so in etwa“ wisse warum. Er möchte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Ǵebrauch machen. Die Richterin lehnt dies ab. Angesprochen auf den „Männertag“ 2016 äußerte Julian, dass er sich nur noch teilweise an den Tag erinnern könne. Er habe sich zunächst mit den beiden Angeklagten sowie dem weiteren Zeugen Johann-Walter R. zwischen 9:00 und 10:00 Uhr getroffen und Alkohol getrunken. Dabei schätze er die Gruppengröße später auf 5-10 Personen. Am späteren Nachmittag seien sie „spazieren gegangen“ und wären „in der Stadt unterwegs“ gewesen und hätten später eine Straßenbahn genommen. Er bestätigte, dass auch er an der Salinenstraße ausgestiegen sei. Auf die Frage der Richterin, ob die Angeklagten Ronny D und Philippe A. ebenfalls dabei gewesen seinen, sagte er, er wäre sich unsicher. Innerhalb der Gruppe haben sich seinen Aussagen zufolge die weiteren Zeugen Sascha W. und Benjamin G. befunden.

Weiterhin stellte die Richterin die Frage, ob er das AJZ kenne und wie weit von der Haltestelle entfernt sich dieses befinden würde. F. äußerte, dass er das Jugendzentrum kenne und dieses sich 10 bis 15 Meter neben der Haltestelle befinde. Die Frage, ob sie bewusst zum AJZ gefahren sind verneinte er, da das eigentliche Ziel ein Getränkeladen am Berliner Platz gewesen wäre. Warum er jedoch bereits in der Salinenstraße ausgestiegen ist, begründete er damit, dass „die Anderen dort ausgestiegen sind.“ Ob Ronny D., zu welchem er schon mindestens seit der Tat ein Freundschaft führe dort ausstieg, bejahte er. An der Haltestelle angekommen, hätten sie noch Bier getrunken und gesehen, dass das Tor zum AJZ offen gestanden hätte. Er habe Rufe gehört und wusste nicht, ob diese aus dem AJZ kämen. Daraufhin seien sie zum Tor gegangen, wo ihnen auf dem Grundstück des Jugendzentrums etwa fünf Personen entgegen gekommen seien. Warum die Gruppe direkt in den Hof gegangen sei, wisse er nicht. Er wäre betrunken gewesen. Auf die Frage, ob auch Philippe A. Alkohol konsumiert habe, antwortete er: „Ja, alle waren betrunken“. Ob sich die komplette Gruppe auf dem Hof des AJZs befunden habe, könne er nicht mehr sicher sagen. Ebenso unsicher war er sich darüber, was der Angeklage A. dort machte und habe diesen erst nach der Tat – die er auf einen Zeitraum von zwei Minuten schätzt – in der Straßenbahn wieder wahrgenommen. Auf die Frage der Richterin, warum er in die Straßenbahn gestiegen ist, antwortete er: „Wegen der Schlägerei.“. Wegen dieser Schlägerei mit „fünf, sechs, sieben Leute“ habe er sich auch einen Finger an der Hand gebrochen. Zu der körperlichen Auseinandersetzung wäre es deswegen gekommen, weil sie durch das Tor gegangen wären. Dabei hätte die Gruppe, in der sich der Zeuge befand, etwas geschrien. Auch die Personen im AJZ hätten dies getan. Anschließend sei die Gruppe laut Julian F. gemeinsam zurück in eine Straßenbahn gegangen. Die Frage, ob Ronny D. dabei gewesen wäre, bejahte der Zeuge. An der nächsten Haltestelle hätte bereits die Polizei gestanden. Er und Felix F. (weiterer Zeuge) seien jedoch sitzen geblieben und zum Berliner Platz gefahren.

Nachdem Richterin Dobberstein ihre Befragung beendete, erhielt Staatsanwältin Schmitz-Kern das Wort. Diese erkundigte sich zunächst nach dem geschätzten Alkoholpegel des Zeugen. Dieser schätzte ihn auf einer Skala von 1 bis 10 bei Stufe 8 ein. „So das man nicht mehr nachdenkt“ äußerte Julian F. „Es war niemand mehr nüchtern“, so F. weiter. Er selbst wäre noch nie im AJZ gewesen, kenne dies aber als linken Treffpunkt. Er wiederholte, dass er betrunken gewesen sei und sagte, dass er bei dem Geschehen „vorne dabei“ gewesen wäre. Auf die Frage, ob er was gegen Linke habe, äußerte er sich nicht. Ob während der Auseinandersetzung Pfefferspray eingesetzt wurde, wisse er nicht und er habe auch nichts abbekommen. Bezugnehmend auf die Frage der Richterin, wer denn zuerst geschrien bzw. gerufen hätte, antwortete er „kann sein wir“. Dass dies ein freundliches Rufen gewesen sei, könne er sich nicht vorstellen.

Als nächstes befragte die Nebenklägerin RA Pietrzyk Julian F.. Sie fragte, ob er das „Kollektiv 56“ kenne und sich diesem zuordnet. F. ordnete sich dieser Gruppierung nicht zu.
Als die Nebenklage die nächste Frage formulieren wollte, fiel ihr RA Ulrich mehrfach ins Wort und beantrage die Frage nicht zuzulassen, da diese nichts mit der eigentlichen Tat zutun hätte. RA Pietrzyk fragte RA Ulrich, ob dieser ein Problem hätte, wenn Frauen sprechen, woraufhin dieser äußerte, dass er eine Anzeige bei der zuständigen Kammer gegen RA Pietrzyk wegen „unkollegialen Verhaltens“ stellen werde. Im Anschluss wird die Verhandlung um 10:00 Uhr für 10min unterbrochen. Nach der Unterbrechung bittet die Nebenklage, dass der genaue Wortlaut von RA Ulrich protokolliert wird. Dies geschah dann auch.
Weiter ging es mit einer Stellungsnahme von RA Pietrzyk zu ihrer Frage. Hierbei bezog sie sich auf eine Presseveröffentlichung und führte aus, dass es sich sowohl bei Zeugen, als auch Angeklagten um eine gemeinsame Gruppe handelt. Die Gruppe sei ein verfestigter Personenkreis, der sich für solche Taten nicht vorher absprechen muss, weil sich jeder gut kenne. Auch der Zeuge Michael Z. hätte bereits dazu bei der polizeilichen Vernehmung ausgesagt. Daraufhin suchte Richterin Dobberstein kurz die Aussage in den polizeilichen Akten. Auf ihre Nachfrage befürwortete auch Staatsanwältin Schmitz-Kern die Frage zuzulassen, da diese mit dem Verfahren zutun habe. Erneut schritt RA Ulrich ein und hält die Frage für unzulässig. RA Herwig empfindet die Begründung als „unkonkret“. Nachdem RA Pietrzyk erneut sprach, fiel ihr RA Ulrich erneut ins Wort, woraufhin die Nebenklage fordert, dass sämtliche solcher Unterbrechungen dokumentiert werde. Im Anschluss bekräftigte sie nochmals ihre Frage mit dem Verweis auf die Aussagen von Michael Z, welche sie für relevant für das Verfahren hält. Die Vorsitzende unterbricht um 10:23 Uhr die Verhandlung für 20min und zieht sich zur Beratung – ob die Ablehnung der Frage durch RA Ulrich stattgegeben wird – zurück.
Nach der Unterbrechung wird die Frage von RA Pietrzyk zurückgewiesen, da eine Relevanz für das Verfahren nicht ersichtlich sei.
Es folgten weitere Fragen an den Zeugen Julian F: Wo und wann er die Angeklagten kennengelernt hat, wisse er nicht mehr und schätzt, dass er dabei etwa 18 Jahre alt gewesen sein müsse. Nach der Frage, ob er denn Freizeit mit den Angeklagten verbringe, funkt RA Ulrich erneut dazwischen und äußert, dass dies nichts mit dem Verfahren zu tun hätte. Ebenso bei der Frage, ob der Zeuge noch heute mit den Angeklagten befreundet wäre. Für RA Pietrzyk trägt die Frage jedoch eine gewisse Relevanz für das Verfahren, da das Verhältnis zwischen Angeklagten und Zeugen für die Glaubhaftigkeit der Aussagen von Bedeutung wäre. Die Staatsanwaltschaft wirft ein, dass dies bereits geklärt sei und sie „lange befreundet“ seien. Auf weitere Nachfrage von RA Pietrzyk äußert Julian F., dass er seit der Tat keinen Kontakt mehr zu den Angeklagten hat. Daraufhin erfolgen mehrere Fragen der Nebenklage nach Teilnahmen des Zeugen an verschiedenen rechten Demonstrationen. Ob er im Januar 2016 an einer solchen Demonstration teilgenommen habe, wisse er nicht. Ebenso wisse er nicht, ob er an einem Aufzug der NPD im Jahr 2018 teilnahm, woraufhin RA Pietrzyk nachfragt, wie er so etwas nicht wissen könne. „Kann sein, kann auch nicht sein… nein“, antwortete Julian F.. Die Frage, ob er 2016 Fotos auf Facebook veröffentlicht hat, verneinte er und ob dies andere Personen aus seinem Freundeskreis taten, könne er nicht sagen.
Als RA Pietrzyk fragte, ob er bei den Freien Kräften, NPD oder NPD aktiv gewesen sei, zweifelt RA Ulrich erneut die Zulässigkeit der Frage an, da es hier im Gericht „um die Tat“ ginge. RA Pietrzyk entgegnet, da der Zeuge nicht gesagt hat, ob er etwas gegen Linke habe, taste sie sich an diese Frage heran. Ihr Ziel sei es die Tatmotivation herauszufinden. Richterin Dobberstein weist die Frage zurück, da sie die Frage für irrelevant betrachtet. Auf die nochmalige Frage, was er gegen Linke hätte antwortet Julian F.: „Weiß ich nicht genau“.

Als letztes befragte RA Herwig den Zeugen. Dieser fragte, wo genau die Gruppe aus der Straßenbahn ausgestiegen sei und ob sie dies vielleicht taten, um umzusteigen. Darauf antwortete F., dies wäre an der Haltestelle auf der anderen Straßenseite gewesen und dass sie tatsächlich hätten umsteigen wollen. Im AJZ selbst wären nicht alle gewesen, da manche die Straßenbahn aufhielten. Daraufhin wird der Zeuge um 11:03 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

Es wird der Zeuge Benjamin G. vorgeladen. Dieser ist nicht erschienen und soll zum nächsten Termin geladen werden. Auch der Zeuge Max K. ist nicht anwesend, sodass nach fünfminütiger Unterbrechung der Zeuge Michael Z. aufgerufen wurde.

Dieser betrat den Zeugenstand nicht wie die anderen Teilnehmenden und Zuschauenden, sondern über das Hinterzimmer des Gerichtssaal. Im Gegensatz zu den Angeklagten und Zeugen, hat sich dieser nicht in deren Gruppe vor dem Saal aufgehalten. Dieser äußerte gleich zu Beginn, dass er nicht viel sagen kann und seine Meldeadresse nicht öffentlich gesagt werden soll. Die Gruppe sei „im Südosten gestartet, durch die Stadt…“. Danach schwieg er kurz und sagte, dass dies alles schon lange her sei. Die Gruppe sei mit dem Ziel zum Berliner Platz zu fahren, am Boyneburgufer in die Straßenbahn eingestiegen. Zuvor soll aus der Masse heraus „Auf zum AJZ“ gesagt worden sein. Von wem diese Äußerung gekommen sei, wäre ihm nicht bekannt. Dies sei jedoch nicht in seinem Interesse gewesen, und er wollte verhindern, dass die Gruppe dort hin fährt. Aus diesem Grund habe er vorgeschlagen in die Linie 1 zu steigen, damit man nicht umsteigen müsse. Da die Linie 5 vor der Linie 1 gekommen sei, sei die Gruppe dann dort eingestiegen und er hinterher. Während der Fahrt habe er etwas weiter entfernt von der Gruppe gestanden und verwies auf Videoaufnahmen der EVAG (Erfurter Verkehrsbetriebe AG), welche den Ermittlungsbehörden vorliegen würden. Auch die beiden Angeklagten wären dabei gewesen.
Als die Gruppe an der Salinenstraße ausstieg, habe er es sogleich „rumpeln gehört“. Dabei solle es nach dem Zerschmettern von Glas oder einer Flasche geklungen haben. Kurz darauf habe er zum Zeugen Sascha W. gesagt, dass sie schnell weg müssen. Auf die Frage der Richterin, wer denn ins AJZ gegangen sei, äußerte er nichts gesehen zu haben, da er einfach schnell weggegangen sei und dort nicht angetroffen werden wollte, da er zu diesem Zeitpunkt noch eine Bewährungsstrafe verbüßen musste. Die Entfernung vom AJZ zur Haltestelle schätze er auf etwa 20 Meter. Weiterhin sei er mit Sascha W. danach zur Haltestelle Mittelhäuser Straße gelaufen und hätten dort zwei bis drei Minuten gewartet. Während er zur Haltestelle in der Mittelhäuser Straße gelaufen sei, habe er das AJZ nicht sehen können, da sich dies nicht in der Blickrichtung befunden habe. Ob auch die beiden Angeklagten Ronny D. und Philippe A. später in die Bahn eingestiegen seien, wisse er nicht. Die anderen Mitglieder hätten im Anschluss in der Straßenbahn nicht über dieses „rumpeln“ gesprochen. Auf die Frage, in welchem Zustand sich der Angeklagte Philippe A. befand, antwortete er, dass „Himmelfahrt“ gewesen und die ganze Gruppe „voll gewesen“ sei. Er selbst hätte keinen Alkohol getrunken, da er sich in einer „alkoholfreien Phase“ befunden hätte. Michael Z. gab weiterhin an, dass der Angeklagte Ronny D. zuvor bei ihm übernachtet hätte. Dieser trage zumeist dunkle Kleidung. Ob einer der Beteiligten Pfefferspray dabei gehabt hätte, wisse er nicht, da er „keine Taschenkontrolle gemacht“ habe. Während der Fahrt mit der Straßenbahn vom Boyneburgufer hätten die Mitglieder der Gruppe herumgeschrien. Von Gesprächen habe er nichts mitbekommen, da er etwas entfernt von der Gruppe gestanden habe. Warum er weiter weg stand, wisse er nicht mehr.

Staatsanwältin Schmitz-Kern wollte zunächst wissen, ob er etwas zu dem Glasbruch am AJZ gesehen habe und von wem dieser ausgegangen sei. Michael Z. habe nichts gesehen, da er sich aufgrund seiner damaligen Bewährung schnell entfernen wollte. Ob der Zeuge bereits im Vorfeld eine Vermutung gehabt habe, was nach dem Aussteigen an der Salinenstraße passieren würde, antwortete er: „Wenn eine Gruppe rechts auf eine Gruppe links trifft, dann kann man sich gerade mit Alkohol denken, was da passiert.“. Eine Nachfrage, ob seine Gruppe die „rechte“ gewesen sei, bestätigte er. Abschließend wollte Schmitz-Kern wissen, ob er die Bahn nach der Schlägerei angehalten hätte. Er sei es nicht gewesen und hätte auch nichts gesehen.

Die Nebenklage fragte zunächst, ob es denn bei dem Vorfall auch eine „Sache mit einer Jacke“ gegeben habe. Michael Z. sagte, dass „nach einer Jacke gesucht wurde“. RA Pietrzyk verwies auf die Polizeivernehmung, woraufhin der Zeuge aussagt, dass es „wegen der Jacke eine Durchsuchung“ gegeben habe. Ob er denn bei der damaligen Vernehmung das Protokoll gelesen habe, wisse er nicht. RA Pietrzyk sprach darüber, dass in seiner Polizeivernehmung gestanden hätte, dass die Jacke geklaut worden sei und „als Trophäe in der Bahn herumgereicht wurde.“ Diese Formulierung sei dem Zeugen unbekannt und er habe daran keine Erinnerungen mehr. RA Pietrzyk zitierte weiter aus der Polizeivernehmung, dass der Zeuge dort ausgesagt hätte, „eine Flasche sei gegen die Wand des AJZ gekracht.“ Auf weitere Nachfrage, ob er gesehen hätte, wer diese geworfen habe, sagte Michael Z., dass er nichts gesehen habe, da er gleich weggegangen sei. Mit dem Zeugen Benjamin G. habe er sich im Anschluss nicht über die Schlägerei unterhalten. In der Polizeivernehmung hingegen hätte gestanden, dass Benjamin G. zu ihm gesagt hätte: „Da habe ich gut durchgezogen, habt ihr das gesehen?“. An eine solche Aussage habe Michael Z. keine Erinnerung mehr. „Es kann sein, das ist schon lange her“, sagte er abschließend auf die Frage. Als letztes wollte RA Pietrzyk wissen, warum er bei der Polizeivernehmung zum „Kollektiv 56“ befragt wurde. „Dies war eine Struktur, die mir zugeordnet wird, weil bei der Durchsuchung Material wie Aufkleber bei mir gefunden wurde.“

Auch RA Ulrich bezog sich bei seiner ersten Frage auf die Polizeivernehmung. Dort soll Michael Z. gesagt haben, dass sein Mandant Ronny D. im Anschluss an die Schlägerei gesagt hätte, es sei eine sinnlose Aktion gewesen. Der Zeuge bestätigt diese Aussage in der Polizeivernehmung getätigt zu haben. Auf die Frage, was die Gruppe für Alkohol getrunken habe, sagte der Zeuge. „Alkohol in großen Mengen“ und spezifizierte seine Aussage mit „Alles. Bier, Schnaps, Pfeffi.“ Gegenüber RA Ulrich schätzt er die Gruppengröße auf 15-20 Personen, welche alle mit der Straßenbahn mitgefahren seien. Der Zeuge Michael Z. wird um 11:42 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen und verlässt den Gerichtssaal über die Tür zum Hinterzimmer.

Der Zeuge Benjamin G. wird erneut aufgerufen. Er ist nicht anwesend und wird zu einem späteren Termin erneut geladen. Gegen ihn wird ein Ordnungsgeld von 150 Euro verhängt. Gleiches trifft auf den Zeugen Max K. zu, welcher ebenfalls noch immer nicht anwesend ist. Der Zeuge Hendrik H. wurde wegen erhöhter Körpertemperatur vom Gericht abgeladen.

Als nächstes betrat Felix L. den Zeugenstand. Auch er bittet darum, dass seine Meldeadresse nicht öffentlich genannt werden soll und verweist darauf, dass es sich bei der Adresse um die selbige aus der Anklageschrift handele. Die Richterin erklärt ihm, dass er zunächst im Verfahren selbst als Beschuldigter galt und sich nicht selbst belasten muss. Der Zeuge begann seine Ausführungen damit, dass er „kaum Erinnerungen an den Männertag 2016“ habe. Er bestätigte gegenüber der Richterin Dobberstein, dass der Angeklagte Philippe A. am Tag dabei gewesen sei. Ob der Angeklage Ronny D. ebenfalls Teil der Gruppe gewesen sei, wisse er nicht. Er kenne ihn nur ein wenig. Den Angeklagten Philippe A. hingegen kennt er, wisse aber nicht, welche anderen Personen am Tag dabei gewesen seien. Die Richterin verweist auf seine Vernehmung bei der Polizei, in der er ausgesagt hätte, dass er sich zunächst mit Herrn J. sowie Herrn S. getroffen habe und später mit den Angeklagten Philippe A. und Herrn R.. Dies sei seiner Aussage nach nicht sein Plan gewesen, da er sich eigentlich nur mit dem Angeklagten hätte treffen wollen. Felix L. habe sich zunächst mit den anderen beiden „im Süden“ getroffen. Die Frage, ob er später auch am Boyneburgufer gewesen wäre, bejahte er. Auch in die Straßenbahn, welche die anderen Mitglieder der Gruppe nutzen, sei er eingestiegen. Jedoch nicht, um zum AJZ zu fahren, sondern er hätte nach Hause fahren wollen. Auf die Frage, um welche Straßenbahnlinie es sich gehandelt habe, antwortete der Zeuge „Linie 1 oder Linie 3“. Er sei an der Haltestelle Salinenstraße als Erster ausgestiegen und hätte an der Haltestelle gesessen und gewartet. Da es für ihn „vorbei gewesen“ und er „total betrunken“ gewesen sei, wollte er nach Hause. Er habe nicht gesehen, ob jemand ins AJZ gegangen sei und keine Vorfälle während der Wartezeit wahrgenommen. Auf die Frage, ob er den Angeklagten Philippe A. kenne, antworte der Zeuge: „Ja, schon lange.“ Weiterhin wurde nach dem Zustand des Angeklagten A. gefragt. Felix L. äußerte, dass dieser „nicht so sehr betrunken gewesen“ sei. Was der Angeklagte genau getrunken habe, wisse er nicht. Ob in der Straßenbahn über das AJZ gesprochen wurde, könne er ebenfalls nicht sagen, da er „am Ende“ gewesen sei. In der Polizeivernehmung habe er laut den Akten gesagt: „Es sind Leute der Gruppe ins ‚Zentrum‘ gerannt.“ Daraufhin sagte er stattdessen, dass er auf den Boden geschaut hätte und fast eingeschlafen sei. Erinnerungen an eine Person mit „grünen Haaren und einem Iro“ habe er nicht. Auf seine Straßenbahn habe er nicht lange gewartet und sei schließlich alleine mit dieser gefahren, um sich mit seiner Lebensabschnittsgefährtin zu treffen.

Die Staatsanwaltschaft fragte den Zeugen zunächst nach der Gruppengröße. Felix L. schätze diese auf etwa 10 Personen. Von dieser Gruppe kannte er seinen Aussagen zufolge lediglich Herrn J. und den Angeklagten Philippe A.. Während ihrer Tour durch Erfurt hätten sie Lieder gesungen. Von einer politischen Richtung dieser Lieder hätte er nichts gemerkt. Es habe sich um „Sauflieder“ gehandelt.

Die Nebenklage hatte an Felix L. ḱeine weiteren Fragen. Der Zeuge wird um 12:02 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

Für den 24. November 2020 werden die Zeugen, welche am ersten Prozesstag nicht anwesend waren, erneut geladen. Auch die Zeugen Sascha W., Marius K., Johann-Walter R. welche zwar anwesend waren, aber aus zeitlichen Gründen nicht mehr gehört werden konnten, werden nochmals vorgeladen. Gegen den Zeugen Max S. wurde trotz seiner Abwesenheit kein Ordnungsgeld verhängt, da dieser aus zeitlichen Gründen nicht hätte gehört werden können.

Für den zweiten Prozesstag am 12. November 2020 wird das Ende auf „gegen Mittag“ terminiert.

Philipp Mine (links), Philippe Amor und Ronny Damerow auf dem Weg zum Gericht.

Prozesstag #2: Neonaziüberfall auf das AJZ in Erfurt

Der zweite Prozesstag fand am 12.11.2020 um 9:00 Uhr am Amtsgericht Erfurt statt. Wie bereits beim ersten Verhandlungstag, konnten auch heute nicht alle vorgeladenen Zeugen gehört werden. Die Verhandlung wurde zuvor in Saal 19 verlegt, welcher räumlich gesehen größer war, aber trotzdem nur acht Plätze für die Öffentlichkeit zur Verfügung hatte. Vor dem Saal nahmen während der Verhandlung erneut weitere Interessierte platz.

Wie auch am ersten Prozesstag, machten die beiden Angeklagten Ronny D. und Pillippe A. weiterhin von ihrem Aussageverweigerungsrecht gebrauch. So wurde zunächst der Zeuge 1 (Z1) in den Gerichtssaal berufen. Z1 wisse warum er da sei und begann seine Ausführungen damit, dass er mit seinem Vater gegen 16:00 Uhr Holzkohle geholt habe und anschließend gemeinsam ins AJZ gegangen seien. Nach etwa einer halben Stunde nach deren Ankunft habe er Rufe: „Faschos kommen, Faschos kommen!“ vernommen. Zu diesem Zeitpunkt habe er hinter einem Transporter gestanden, wo er Tischtennis hätte spielen wollen. Schließlich soll aus der ankommenden Gruppe gefragt worden sein, ob sie „Stress oder Stunk haben wollen“. Vom wem diese Aussage gekommen sei, könne er nicht sagen, da er sich zu diesem Zeitpunkt noch hinter dem Transport befunden habe. Direkt nach dieser Äußerung, wäre er hinter dem Transporter hervorgekommen und hätte gesehen, dass die anwesenden Gäste des AJZ mit Pfefferspray angegriffen worden sein. Er schätze, dass sich unter den Angreifenden etwa zwölf Personen befunden haben. Die Anzahl der Gäste des AJZ schätze Z1 auf zehn. Auf die Frage von Richterin Dobberstein, wie viele Personen denn Pfefferspray abbekommen hätten, antwortete er, dass alle getroffen wurden, da sich alle am einem Fleck befunden haben sollen. Während des Pfefferspray-Angriffs habe Z1 fünf bis sechs Meter neben der Gruppe gestanden und äußert, dass es zwei Personen waren, die das Pfefferspray versprühten. Ob er die beiden Angeklagten wieder erkenne, sagte Z1, dass er den Angeklagten Philippe A. wiedererkenne, Ronny D. hingegen nicht. Philippe A. soll dem Betroffenen (B1) mit Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben. Vor dem Pfefferspray-Angriff soll er sich kurz neben B1 gesetzt haben. Der Angeklage A. habe ein schwarzes Oberteil, eine blaue Jeans und New Balance Schuhe getragen. Auf die Frage, welche Personen noch Pfefferspray abbekommen hätten, nennt Z1 mehrere Namen von Betroffenen, darunter seinen
Vater. Mit den angreifenden Personen habe er sich nicht unterhalten können, da diese sehr aggressiv gewesen sein sollen. Warum diese so aggressiv gewesen seien, könne er nicht sagen. Auf die Frage der Richterin, ob es neben dem Pfefferspray-Angriff auch zu weiteren Auseinandersetzungen kam, antwortete Z1, dass es auch zu direkten körperlichen Auseinandersetzungen gekommen und weiterhin Flaschen und Steine geflogen seien. B1 soll, nachdem er sich vom Pfefferspray-Angriff erholt habe, ein Tischbein auf die angreifende Gruppe geworfen haben. Danach soll B1 umgefallen sein. Z1 selbst, habe bis zu diesem Zeitpunkt etwa ein halbes Bier getrunken. Während zwei Angreifer mit Pfefferspray gesprüht haben sollen, sollen zwei weitere die Tat mit ihren Handys gefilmt haben und die restlichen im Abstand von fünf bis zehn Metern die Pfefferspray-Angreifer angefeuert und ermutigt haben. Dieser Teil der Gruppe soll sich auch im Hof, jedoch in Richtung Ausgang am Tor befunden haben. Nachdem B1 das Tischbein geworfen habe und umgefallen sei, habe der Angeklagte Philippe A. auf diesen eingetreten. Dabei soll er auch auf den Kopf von B1 eingewirkt haben. Im Anschluss soll sich der Zeuge um den Verletzten B1 gekümmert haben, da dieser sich nicht mehr habe bewegen können. Er wurde vom Geschehen weggezogen und habe dabei geblutet und eine Platzwunde am Kopf gehabt. Z1 selbst hätte keine Verletzungen gehabt. Als jedoch Krankenwagen und Polizei eintrafen, hätten diese festgestellt, dass sein T-Shirt auf der Rückseite zerrissen gewesen wäre. Das T-Shirt sollte im Anschluss zur Untersuchung zur Polizei. Auf die Frage, wer das Hausrecht im AJZ ausübe antwortete der Zeuge: „Niemand so wirklich.“ und fuhr fort: „Wer sich nicht benimmt, fliegt raus“.

Nachdem die Richterin ihre Fragen gestellt hatte, kam Staatsanwältin Schmitz-Kern zu Wort. Sie wollte zunächst wissen, ob Z1 „die Sache mit der Bank“ gesehen hätte und wer daran beteiligt war. Z1 verwies erneut auf den Angeklagten Philippe A., woraufhin Schmitz-Kern dessen Aussage in der Polizeivernehmung entgegenhält. In dieser hätte er gesagt: „Was dort passiert ist, weiß ich nicht“. Woher die Erinnerungen auf einmal kämen, wollte die Staatsanwaltschaft wissen, woraufhin Z1 sagte, dass diese langsam wiederkämen und bestätigte erneute, dass der Angeklagte Philippe A. Reizgas eingesetzt habe. Das andere Spray habe eine andere Person eingesetzt. Seinen Gefühlszustand beschrieb Z1 als eine Mischung von Angst und Adrenalin und man schauen müsse, dass man „kampfbereit“ sei. Diesen Zustand habe er als nicht angenehm empfunden. Er habe in diesem kurzen Zeitraum „viele Eindrücke“ gehabt. Solle er den B1 helfen oder was mache er überhaupt in der Situation. Abschließend wollte Schmitz-Kern wissen, ob er selbst Angst um seine Gesundheit gehabt hätte, woraufhin der Zeuge antwortete: „Lieber lasse ich mich verletzen, als Andere zu verletzen.“

Da die Staatsanwaltschaft zunächst keine weiteren Fragen hatte, wollte RA Andreas Herwig (Verteidigung Philippe A.) wissen, ob Z1 denn oft ins AJZ gehe. Z1 sagte, dass jeder kommen könne, er dort öfter zugegen sei und auch einige Leute kenne. RA Herwig wollte weiterhin wissen, ob die Betroffenen das Tor von ihrem Standort aus hätten sehen können. Dies bejahte Z1. Die Tischtennisplatte hingegen hätte um das Haus herum gestanden und somit habe er nicht sehen können, als die mutmaßlichen Täter das Grundstück des AJZs betraten. Weiterhin wollte der Verteidiger wissen, ob Z1 sich nach der Tat mit Anderen darüber unterhalten habe, wie es denn passiert sei. „Jeder hatte seine eigene Perspektive“ antworte der Zeuge, woraufhin RA Herwig fragte, ob „das Wissen zusammengefügt“ worden wäre, was Z1 bejahte. Der Verteidiger fragte weiter, ob dies vor oder nach der Polizeivernehmung passiert wäre und ob sich der Zeuge an diese noch erinnern könne. Auch dies bejahte der Zeuge.. In dieser Vernehmung hätte Z1 ausgesagt, dass der Angreifer, welchen er als Rädelsführer ausmachte, auf ihn los sei, als der Verletzte B1 weg war. Z1 habe einen Stein genommen und geschmissen. Richterin Dobberstein unterbricht und belehrt den Zeugen, dass dieser sich nicht selbst belasten müsse. „Ich bin aber ehrlich“ entgegnet Z1. RA Herwig fragte, ob sich die mutmaßlichen Angreifer im Anschluss zur Straßenbahn zurückgezogen hätten. Die Frage konnte der Zeuge nicht beantworten. Als sie jedoch das Tor zugemacht hätten, wären Steine und Flaschen auf das Gelände des AJZ geflogen. Nochmals wollte RA Herwig wissen, ob sein Mandant Philippe A. zu B1 auf die Bank gegangen sei und diesen mit Pfefferspray attackiert habe. Der Zeuge ist sich zu „60%“ sicher. „Diese Aussage ist ein Gerüst aus verschiedenen Erzählungen“ entgegnet der Verteidiger und fragte weiter, ob nur die zwei besagten Angreifer mit dem Pfefferspray sich an dem Angriff beteiligt hätten. Z1 sagt
aus, dass die anderen Steine und Flaschen geworfen hätten. Während der körperlichen Auseinandersetzung mit Philippe A. habe dem Angeklagten niemanden geholfen. Weitere Menschen haben sich während des Angriffs nicht im Gebäude des AJZs befunden. Seine Eltern hätten sich hinter einem PKW versteckt und die Mutter, welche ebenfalls zum Tatzeitpunkt anwesend gewesen sein soll, habe ihre Hände vor das Gesicht gehalten. Die Entfernung vom Tor zum Tisch, wo sich die Betroffenen befunden haben sollen, schätze Z1 auf etwa zehn Meter. Abschließend fragte RA Herwig erneut, ob er die zwei Angreifer wiedererkenne. Der Zeuge antwortete, dass Philippe A. zu 100% auf B1 eingetreten habe und diesen zu 60% mit Pfefferspray attackierte.

RA Ulrich wollte wissen, warum sich die angreifende Gruppe denn zurückgezogen hätte. Dies ist dem Zeugen nicht bekannt. Er vermute jedoch, dass diese Angst vor dem möglichen Eintreffen der Polzei gehabt haben können oder das sie geschockt waren, wegen den Verletzten. Von außen sei keine Hilfe gekommen, jedoch soll der Vorfall von Menschen vom benachbarten Autohaus beobachtet worden sein. RA Ulrich zitiert aus der Polizeivernehmung von Z1, in welcher er gesagt haben soll, dass er die Menschen von Autohaus um Hilfe gebeten hätte. Weiterhin seien dort dem Zeugen Lichtbilder von mutmaßlich beteiligten Angreifern vorgelegt worden. Der Zeuge bestätigt dies und sagte aus, dass ihm erst Lichtbilder mehrerer Personen und danach Fotos aus der Straßenbahn, mit welcher die mutmaßlichen Täter gefahren seien, gezeigt worden wären. Zuvor habe Z1 bei der Polizei eine Personenbeschreibung machen sollen. Dabei seien pro Seite sechs bis sieben Personen zu sehen gewesen und es wären ihm mehrere Seiten gezeigt worden. Dabei habe er ein bis zwei Personen erkannt.

Staatsanwältin Schmitz-Kern wollte nun wissen, ob weitere Worte außer „Wollt ihr Stunk“ gefallen seien oder es rechte oder rassistische Äußerungen gegeben habe. Daran könne sich der Zeuge nicht erinnern. Weiterhin fragte sie, wie viele Steinewerfer unter den Angreifenden gewesen seien und ob alle Steine geworfen hätten. Wie viele Steinewerfer es gegeben habe, wisse er nicht, aber es seien nicht Alle gewesen. Die Polizei habe jemand aus dem AJZ gerufen.

RA Herwig fragte zunächst, wer mit dem Besenstil agiert habe. „Das war Z2“, lies Z1 verlauten und sagte, dass dieser kaputt gegangen sei, als damit auf einen Angreifer eingeschlagen habe. Auf die Frage, in welchem Zustand sich die Gäste befunden haben sollen, schätzte der Zeuge, dass diese „ein paar Bierchen intus“ gehabt haben sollen. Ob auch Schnaps getrunken wurde, konnte Z1 nicht sagen, da dieser erst später gekommen sei. B1 soll ziemlich betrunken gewesen sein und die anderen „waren noch voll da“. Auf die Frage, welche Kleidung sein Mandant getragen haben sollen, antworte er, dass er dies bereits beschrieben hat und er wolle bei seiner Aussage bleiben und ergänzte, dass „sie nicht bedrohlich aussahen“ und Freizeitkleidung und nichts verboten getragen haben sollen.

Nach einer fünfminütigen Pause nannte RA Ulrich zunächst mehrere Namen, um herausfinden zu können, wo sich die einzelnen Gäste auf dem Hof des AJZ befunden haben sollen. Von knapp einem halben Dutzend Anwesenden konnte Z1 den genauen Ort nennen. Abschließend wollte RA Ulrich wissen, ob der Zeuge eine Skizze dazu angefertigt habe, was der Zeuge bestätigt. Da dieser nun die Skizze an die Wand projiziert haben möchte, wird die Verhandlung für zehn Minuten unterbrochen, um die notwendige Technik bereitzustellen.

Nach der Pause wurde die Skizze kurzzeitig in Augenschein genommen und vom Zeugen erläuert.

Die Staatsanwaltschaft nahm nun Bezug auf die Polizeivernehmung von Z1. Dort habe dieser ausgesagt, dass die Gruppe rund um die Angeklagten den Hitlergruß gezeigt sowie „Heil Hitler“ gerufen haben sollen und er diese somit „in der rechten Szene vermutet“. Daran habe der Zeuge keine Erinnerungen mehr.

RA Ulrich bezog sich nun ebenfalls auf die Polizeivernehmung und fragt, warum der Zeuge in seiner ersten Vernehmung zunächst nichts über die Naziparolen erwähnt habe. „Diese erste Aussage habe ich unter Adrenalin getätigt, weil sie direkt nach der Tat war“, antwortet Z1. „Auch ihre Mutter konnte nichts als ‚rechts‘ einordnen“, stellte RA Ulrich bezugnehmend auf die Polizeivernehmung seiner Mutter fest. Was seine Mutter ausgesagt habe, wisse der Zeuge nicht.

RA Pietrzyk wollte vom Zeugen nur wissen, ob die Gäste des AJZ den Hof während des Angriffs hätten verlassen können. Der Zeuge antwortet: „Nein, man konnte nicht flüchten.“

Kurz bevor der Z1 aus dem Zeugenstand entlassen wurde, ergriff der Angeklagte Philippe A. das Wort und fragte, warum er denn zweimal Pfefferspray gesprüht haben soll, wenn zuvor bereits alle getroffen worden sein. „Nicht alle, sondern einige“, antwortet der Zeuge. Weiterhin fragte der Angeklagt wie groß denn die Flasche Pfefferspray gewesen sein muss, wenn er so viel gesprüht haben soll. Der Zeuge entgegnet, dass nicht dauerhaft, sondern schubweise gesprüht wurde.

Z1 wird um 10:35 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

RA Ulrich möchte am kommenden Verhandlungstag Fotos vom Innenhof des AJZ in Augenschein nehmen.
Als zweiter Zeuge wird Z2 vorgeladen. Dieser sagte zunächst, dass seine Adresse nicht öffentlich genannt werden soll und er wisse warum er da sei. Der Zeuge begann seine Ausführungen damit, dass er und weitere Gäste auf dem Hof des AJZ‘s gegrillt haben sollen. Schließlich sei eine Gruppe von zehn Personen gekommen, welche zunächst unter „Sieg Heil“-Rufen die Gäste mit Pfefferspray angegriffen haben sollen. Auf Nachfrage von Richtern Dobberstein schätzt Z2 die Gruppe der Gäste auf 12 -13 Personen. Er habe sich an der Tischtennisplatte befunden und gesehen, dass jemand kommen würde. Zwei bis drei Personen der ankommenden Gruppe sollen Pfefferspray gesprüht haben. Erst seien Flaschen und Steine geflogen und anschließend soll auf die Gäste eingeprügelt worden sein. Die Frage der Richterin, ob er selbst gesehen habe, dass jemand Pfefferspray gesprüht habe, bejahte Z2. Sie seien auf die Gäste des AJZ‘s zugerannt und hätten direkt gesprüht. Weiterhin fragte Richterin Dobberstein, wie die mutmaßlichen Täter ausgesehen haben sollen. „Rechtsradikal, kurze Haare, Bomberjacke und Hooligan-Aufschrift“ antwortet Z2. Weiterhin habe er rechte Ausrufe gehört. Während ein Teil der mutmaßlichen Angreifer am Tor gestanden haben soll, sollen vier bis sechs Personen auf die Gäste des AJZ‘s losgegangen sein. Auf die Nachfrage der Richterin, auf wen sie genau losgegangen sein sollen, nennt der Zeuge die Namen mehrerer Betroffener. Auf die Frage, woran er gesehen habe, dass die Betroffenen verletzt gewesen seien, antwortete er: „Sie haben Pfefferspray abbekommen“: Er selbst habe keines abbekommen, da er sich an der Tischtennisplatte hinter einem Auto befunden haben soll. Er habe den Verletzten geholfen und die mutmaßlichen Angreifer mit Hilfe eines Besens auf Abstand gehalten. In seiner Polizeivernehmung soll Z2 gesagt haben, dass er „zwei kleine Punks gesehen“ habe, die er aber nicht gekannt haben soll., so Richterin Dobberstein. „Die haben zuerst etwas abbekommen“, ergänzt der Zeuge. Diese sollen nicht mit den Angreifern gesprochen haben.

Weiterhin interessierte sich die Richterin für die Zuständigkeit des Geländes. Der Zeuge äußert, dass der Hof öffentlich begehbar sei und das Tor offen gestanden habe. Von den beiden Angeklagten kennt Z2 nur Philippe A. Dieser soll Pfefferspray eingesetzt und auf B1 eingetreten haben. Dabei soll der Angeklagte B1 in den Schwitzkasten genommen haben um ihm sitzend mit Pfefferspray aus kurzer Distanz attackiert haben. Z2 selbst habe zu diesem Zeitpunkt neben ihm gestanden. Auf die wiederholte Frage, wie viele der mutmaßlichen Angreifer geschlagen haben sollen, antwortet der Zeuge: „Fünf bis sechs“. Richterin Dobberstein hält Z2 die Aussage von Z1 entgegen, welcher nur von zwei direkten Angreifen gesprochen hat. Z2 sagt weiterhin, dass das zwei der mutmaßlichen Angreifer das Geschehen gefilmt und die restlichen angefeuert haben. Ob die Angreifer betrunken gewesen wären, könne der Zeuge nicht sagen. Er selbst habe etwas getrunken. Jedoch nicht viel, da er selbst für das Café sowie den Tresendienst zuständig gewesen sein soll. Auf die Frage, wer die Dienste einteile, antwortete Z2, dass dies der Vorstand, welcher sich aus fünf Personen zusammensetzt, übernimmt. Richterin Dobberstein wollte weiterhin wissen, warum die mutmaßlichen Angreifer schließlich gegangen seien und das Gelände verlassen hätten. „Wir haben uns gewehrt und sie hatten vermutlich Angst vor der Polizei“ antwortete der Zeuge. Als die Gäste des AJZ‘s das Tor verschlossen, seien von den Angreifern weitere Flaschen darüber geworfen worden. Den Anklagten Philippe A. habe er daran erkannt, dass er diesen aus dem „rechten Spektrum“ kenne. Ob der Angeklagte Ronny D. dabei gewesen sei, wisse er nicht. Der Zeuge habe den Angeklagten A. an seiner Nase erkannt. Dies sei ein Merkmal, das er sich gemerkt habe. Bei der Polizeivernehmung soll Z2 jedoch Ronny D. erwähnt haben, entgegnet Richterin Dobberstein. Z2 sagt nun, dass der Angeklagte D. dann ebenfalls dabei g
ewesen sei. Er habe damals vielleicht etwas anders ausgesehen. Er bleibt bei seiner Aussage aus der Polizeivernehmung und sagt, dass diese mittlerweile über viereinhalb Jahre her ist. Die Richterin wollte nun wissen, ob er einen Sachverhalt bezüglich einer Jacke wahrgenommen habe. „Ja es wurde eine geklaut und mitgenommen“, äußerte der Zeuge. Wer oder wie die Jacke weggenommen wurde, habe er nicht gesehen. Bezüglich der eigenen Verletzungen lies Z2 verlauten, dass er Schnittwunden an Armen und der Brust davon getragen habe. Diese seinen durch die Abwehr der fliegenden Flaschen entstanden. Er habe sich jedoch nicht in ärztliche Behandlung begeben. Obwohl die Rettungssanitäter ihm angeboten haben, ihn mitzunehmen, wollte er dies nicht, da dies seiner Aussage nach „nicht sein musste“.

Staatsanwältin Schmitz-Kern stellte zunächst weitere Fragen zu seinen Verletzungen und fragte, ob der Zeuge eine Narbe davon getragen habe. Z2 spezifiziert seine Angaben und sagte, dass er eine 2cm Schnittwunde davongetragen habe, welche durch die Sanitäter mittels Strips und Desinfektionsmitteln behandelt worden sei. Eine spätere Entzündung der Wunde habe es nicht gegeben. Anschließend wollte sie wissen, wann der Betroffene B1 am Boden gelegen habe. Z2 äußerte, dass dies war, als B1 mit Pfefferspray angegriffen und auf ihn eingetreten worden sei. Danach habe er versucht die mutmaßlichen Angreifer vom Hof zu drängen. Wer schließlich die Polizei gerufen habe, wisse der Zeuge nicht. Die Anzahl der Personen, welche Pfefferspray abbekommen haben sollen, schätzt er auf mindestens sechs bis sieben Personen. Dabei nennt er Namen mehrerer Betroffener.

Die Nebenklageanwältin RA Pietrzyk wollte vom Zeugen wissen, ob die Gesichter der mutmaßlichen Angreifer zu erkennen waren. „Sie hatten Tücher vor dem Gesicht, aber nicht alle“ erklärt der Zeuge. Einige sollen Handschuhe getragen haben. Der Angeklagte Philippe A. soll kein Tuch getragen haben. Ob er Handschuhe getragen habe, wisse der Zeuge nicht.

RA Herwig fragte, ob der Zeuge denn gesehen habe, ob „die kleinen Punks“ Pfefferspray abbekommen haben. Z1 bestätigt, dass dies geschehen sein soll, als die ganze Gruppe den Hof des AJZ‘s betreten haben sollen. Weiterhin möchte der Verteidiger von Philippe A. wissen, ob sich der Zeuge nach dem Vorfall mit anderen unterhalten habe. Dies bejahte Z2, ebenso wie Frage, ob er gesehen habe, wie sein Mandant B1 angriff. Dabei soll Philippe A. dunkle Kleidung getragen haben. RA Herwig wollte wissen, ob aus der Gruppe der Gäste des AJZ‘s Flaschen und Stein geworfen wurden. Der Zeuge sagt, dass er sich nicht selbst belasten müsse. Der Verteidiger fragte, ob andere auch aktiv geworden seien. „Ja, Z1 und B1, als dieser wieder fit war.“, antwortet Z2. Fünf bis sechs Angreifer seien aktiv gewesen und zwei weitere hätten gefilmt.

Die Verhandlung wird für 15 Minuten unterbrochen, um Bilder/Fotos auszudrucken und den Gerichtssaal zu lüften.

Anhand der ausgedruckten Fotos des AJZ‘s erklärt Z2 die verschiedenen Positionen der Gäste auf dem Hof. Daraufhin wollte RA Ulrich weitere Fotos in Augenschein nehmen.

Das Bild, welches den Hof des AJZ‘s von oben zeigt, wurde an die Wand projiziert. RA Ulrich nennt nach und nach die Namen der anwesenden Gäste des AJZ‘s und möchte vom Zeugen wissen, wo sich diese im Hof befunden haben und ob diese gesessen oder gestanden haben. Z2 kenne nicht alle Namen, kann jedoch einen Teil der Gäste lokalisieren. B2, dessen Lederjacke gestohlen worden sei, habe sich an den Bierbänken befunden. Eine weitere Person soll neben B1 gesessen haben. Daraufhin äußert RA Ulrich, dass Z1 aussagte, B1 habe allein gesessen.

RA Ulrich möchte vom Zeugen wissen, wie die Situation geendet habe. Der Zeuge sagte aus, das sie zu dritt sechs bis sieben mutmaßlichen Angreifer zum Tor drängten und diese dann vermutlich wegen der Polizei gegangen seien. Draußen hätten weitere Teile der angreifenden Gruppe gestanden. Auch diese, die die Situation gefilmt haben sollen. Weiterhin interessierte sich RA Ulrich über den Ablauf der Identifizierung der mutmaßlichen Täter bei der Polizeivernehmung. Diese habe laut dem Zeugen beim LKA stattgefunden. Der Verteidiger wollte wissen, ob die Personenbeschreibung des Zeugen vor der Vorlage von Lichtbildern geschehen sei. Z2 wisse nicht mehr, in welcher Reihenfolge dies geschah. Weiterhin fragte RA Ulrich, ob er denn wisse, welche Intension die Polizei mit der Lichtbildvorlage habe. Der Zeuge antwortete, ob er denn jemanden wiedererkenne. Laut dem Zeugen habe die Polizei auch Dinge aufgeschrieben. Dies sei jedoch per Hand geschehen, da der PC defekt gewesen sei. „Mussten Sie auch einzelne Handlungen beschreiben?“ fragte der Verteidiger, woraufhin der Zeuge sagt, dass die Akte aus der Polizeivernehmung doch vorliege. Es wird die Lichtbildvorlage der Polizei, auf welcher mehrere Personen zu sehen sind, an die Wand projiziert. Was Person 7 gemacht habe, wisse der Zeuge nicht mehr, jedoch, dass diese Person beteiligt war.

Staatsanwältin Schmitz-Kern zitierte aus der Polizeivernehmung, dass Z2 dort ausgesagt habe, dass „die kleinen Punks bereits vor dem Tor des AJZ‘s Pfefferspray abbekommen haben“. „Vor Gericht haben sie nun eine andere Aussage getätigt.“, so Schmitz-Kern.

Der Zeuge wird 11:54 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

RA Ulrich erklärt im Anschluss, dass die Lichtbildvorlagen durch die Polizei nicht korrekt gemacht worden seien. Es habe zuerst eine Personenbeschreibung und daraufhin eine Auswahl aus der Lichtbildmappe zu erfolgen. „Der Zeuge hat meinen Mandanten nicht erkannt“, fuhr er fort. Die Staatsanwältin äußert, dass Z1 dies anders beschrieben hat. RA Ulrich möchte zum nächsten Verhandlungstermin die Polizistinnen und Polizisten laden, welche die Polizeivernehmung durchführten.

Somit endete der zweite Prozesstag, wie erwartet , gegen Mittag.

v.l.n.r.: Philippe Amor, Ronny Damerow, Philipp Mine, Sören Erik Hildesheim, Sascha Wühr

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